Typisch Jungs?!
Drei Hammer Einrichtungen werben um männlichen Nachwuchs im sozialen Bereich
Pflege, Erziehung und Betreuung ist was für Frauen – Computer, Maschinenbau und Autos was für Männer. Dieses Vorurteil zeigt sich bei vielen Jugendlichen immer noch in der Berufswahl. Leider.
Um Stereotype abzubauen und speziell Jungs den Alltag in sozialen Berufen zu zeigen, haben drei paritätische Einrichtungen in Hamm einen Projekttag für Schüler angeboten, an dem auch der vkm sich beteiligt hat.
Acht Realschüler zwischen 15 und 17 Jahren haben sich zunächst die KiTa „Löwenzahn“ des Vereins Movere im Hammer Süden angeschaut. Die KiTa hat einen zertifizierten psychomotorischen Schwerpunkt. Schon die Außenrutsche vom ersten Stock in den Garten beeindruckte die Jugendlichen sehr, ebenso wie der Parcours im Inneren der KiTa, auf dem die Kinder mit Bobbycars, Rollern und anderen Fahrgeschäften im Kreis herumflitzen können. Haupt-Attraktion aber war das „Air Tramp“, ein riesiges Luftkissen, auf dem die Jugendlichen sich erstmal selbst richtig austoben durften. „So eine moderne KiTa habe ich noch nie gesehen. Mein Kindergarten früher war ganz alt und nicht mit so schönen Spielsachen und so vielen Sportmöglichkeiten“, staunt der 15jährige Bastian. Weiter gings für die Jungs zur Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung „Outlaw“ in der Feidikstraße. Erzieher Christopher und Sozialarbeiter Johnny erzählten aus ihrem Arbeitsalltag mit Jugendlichen, die aus schwierigen Elternhäusern kommen oder auf die „schiefe Bahn“ zu geraten drohen. Johnnys eigene Biografie passte dabei sehr gut zum Thema des Projekttages: „Ich wollte eigentlich in der IT arbeiten, habe aber in der Berufsschule schnell festgestellt, dass es dafür leider nicht reicht, gut zocken zu können“, lacht der heutige Leiter einer Inobhutnahme-Wohngruppe für junge Menschen. „Ich habe soziale Arbeit studiert, weil mein bester Kumpel das auch gemacht hat. Und es war und ist für mich genau das Richtige.“
Letzte Station des Tages war unser vkm Wohnprojekt an der Rembrandtstraße in Westtünnen. Hier wohnen mehr als 20 Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen so selbständig wie möglich und mit so viel Unterstützung durch Fachkräfte des vkm wie nötig. Heilerziehungspfleger Niklas führte die Schüler gemeinsam mit dem Bewohner Felix durch dessen moderne Wohnung. Beide Männer sind nur wenige Jahre älter als die Jugendlichen, so dass diese schnell ihre Scheu verloren und Felix viele Fragen stellten. „Als was arbeitest du?“, „Was machst du in deiner Freizeit?“, „Warum musst du so viele Medikamente nehmen?“ und so weiter. Felix beantwortete alles und zeigte stolz seine vielen Lego-Star-Wars-Raumschiffe, die er alle selbst zusammengebaut hat. Entsprechend beeindruckt waren die Schüler. Der 16jährige Martin war vorher noch nie in einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen und hatte sie sich ganz anders vorgestellt: „Ich dachte, die wohnen in einem Heim, wie man das oft in Filmen sieht. Aber das hier sind ja ganz tolle Wohnungen!“ Niklas brachte die Schüler zum Nachdenken, als er von seinen Beweggründen erzählte, Heilerziehungspfleger zu werden: „Uns geht es allen gut, wir können machen, was wir wollen, und Sport treiben, wie es uns gefällt. Unsere Klient:innen können das oft nicht. Das ist aber auch schon der einzige Unterschied. Wir sollten dankbar sein, dass wir gesund sind und den Menschen mit Beeinträchtigungen helfen, ein weitestgehend selbständiges Leben zu führen.“ Um am eigenen Leib zu spüren, wie es ist, eine Behinderung zu haben, durften die Jugendlichen am Ende noch einen so genannten „Altersanzug“ anprobieren, der Krankheiten wie Parkinson, Erblindung, Schwerhörigkeit und Bewegungseinschränkung simuliert. „Das war ein spannender Tag und ich habe viel über soziale Berufe gelernt, was ich vorher nicht wusste. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das was für mich ist, aber der Tag hat auf jeden Fall Vorurteile abgebaut“, fasste der 15jährige Sebastian seine Eindrücke zusammen.